In "Ein wenig Leben"
begleiten wir die Freunde, JB, Malcom, Willam und Jude über den
Zeitraum von insgesamt 30 Jahren. Dabei spielt vor allem Jude eine
zentrale Rolle, dem in seiner Kindheit viel Schlimmes widerfahren
ist, was ihn auch noch im Erwachsenenalter begleitet.
Als erstes sei zu sagen, dass man bei
diesem Buch keine leichte Unterhaltungslektüre erwarten darf, denn
es handelt sich hier um einen fiktionalen Lebensbericht, der nicht
nur sehr anspruchsvoll ist, sondern in jeder einzelnen Zeile unter
die Haut geht.
Dazu passt auch der nicht ganz so
leichte Schreibstil, an den man sich jedoch sehr schnell gewöhnt,
wenn man sich nur darauf einlässt. Und genau das ist gar nicht
schwer, denn die Geschichte der vier jungen Männer ist so
interessant und mitreißend, dass man auch ohne den großen
Spannungskick einfach bei der Sache bleiben muss. Dennoch sollte man
sich beim Lesen Zeit lassen, um dem Roman gerecht zu werden. Aber
auch so sind diese knapp eintausend Seiten nicht schnell weg gelesen.
Auffällig ist auch, dass die Autorin kein Blatt vor den Mund nimmt.
Ihre Schilderungen sind sehr ausführlich und wirken dadurch
besonders real. Wer merkt, dass ihm der Schreibstil zu schwierig ist,
dem empfehle ich übrigens das Hörbuch, denn dieses versteht man
sehr gut und auch der Vorleser schlägt sich ausgezeichnet.
Wie schon erwähnt, spielt hier Jude
eine sehr wichtige Rolle. Eigentlich ereignet sich das Leben seiner
drei Freunde nur um ihn herum und das hat einen wichtigen Grund. Jude
ist nämlich anders. Er selbst kennt seine Eltern nicht, ist in einem
Kloster aufgewachsen und hat nicht nur dort viele schlimme Dinge
erlebt, die ihn geprägt haben. So schlimm, dass er große seelische
und körperliche Wunden davon getragen hat. Seine und die Geschichte
rund um seine Freunde wird so gefühlvoll, aber dennoch in einer
sprachlichen Wucht erzählt, dass man mit jeder Pore mitfühlt. Man
leidet nicht nur mit ihnen, sondern man nimmt sie förmlich als
Freunde wahr, man durchlebt alles mit ihnen und schließt sie ganz
schnell ins Herz, allen voran den Protagonisten.
Dieser, Jude St. Francis, ist eine
interessante Person, die sich gerade dadurch auszeichnet, dass sie
trotz allem, was er erlebt hat, noch so liebenswert ist. Er opfert
sich für seine Freunde auf, obwohl er selbst ein gebrochener Mensch
ist. Dabei lässt er an sich selbst allerdings niemanden heran. Er
redet nicht über das, was ihm geschehen ist und kämpft ganz allein
mit seinen inneren Dämonen. So einige Male wollte ich ihn schütteln,
weil er es einfach nicht schaffte, aus sich heraus zu kommen. Als ich
dann erfuhr, was mit ihm alles geschehen ist, lief es mir einige Male
eiskalt den Rücken herunter. Ich habe mit ihm gelitten und geweint
und war ein paar Mal richtig geschockt.
Ich will allerdings auch die anderen
Charaktere nicht vergessen zu erwähnen, allen voran Willam, JB und
Malcom, aber auch Harold und Julia, sowie Andy und Richard. Auch
diese sind alle sehr gut und ausführlich gezeichnet. Von jedem
einzelnen erfährt man so viel, wie für die Geschichte wichtig ist,
aber auch nicht zu viel. Willam, JB und Malcom sind so
unterschiedliche Charaktere, aber dennoch halten sie zusammen und vor
allem zu Jude. Dieser ist mit seinen Freunden wahrlich gesegnet, denn
sie sind alle für ihn da, kämpfen für ihn und wollen helfen, auch
wenn er sich nicht helfen lassen will. Besonders Willam spielt eine
sehr große Rolle für ihn und Harold, der für ihn fühlt, wie ein
Vater.
In diesem Roman ist "Ein wenig
Leben" Programm, denn der Leser durchlebt jede einzelne Phase,
jedes Gefühl und jedes Erlebnis mit den Charakteren. Dabei ist die
Atmosphäre so dicht, dass sie einen förmlich einhüllt. Dieses Buch
zieht den Leser in seinen Bann und geht mitten ins Herz und unter die
Haut.
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