Samstag, 10. Juni 2017


In "Ein wenig Leben" begleiten wir die Freunde, JB, Malcom, Willam und Jude über den Zeitraum von insgesamt 30 Jahren. Dabei spielt vor allem Jude eine zentrale Rolle, dem in seiner Kindheit viel Schlimmes widerfahren ist, was ihn auch noch im Erwachsenenalter begleitet.

Als erstes sei zu sagen, dass man bei diesem Buch keine leichte Unterhaltungslektüre erwarten darf, denn es handelt sich hier um einen fiktionalen Lebensbericht, der nicht nur sehr anspruchsvoll ist, sondern in jeder einzelnen Zeile unter die Haut geht.

Dazu passt auch der nicht ganz so leichte Schreibstil, an den man sich jedoch sehr schnell gewöhnt, wenn man sich nur darauf einlässt. Und genau das ist gar nicht schwer, denn die Geschichte der vier jungen Männer ist so interessant und mitreißend, dass man auch ohne den großen Spannungskick einfach bei der Sache bleiben muss. Dennoch sollte man sich beim Lesen Zeit lassen, um dem Roman gerecht zu werden. Aber auch so sind diese knapp eintausend Seiten nicht schnell weg gelesen. Auffällig ist auch, dass die Autorin kein Blatt vor den Mund nimmt. Ihre Schilderungen sind sehr ausführlich und wirken dadurch besonders real. Wer merkt, dass ihm der Schreibstil zu schwierig ist, dem empfehle ich übrigens das Hörbuch, denn dieses versteht man sehr gut und auch der Vorleser schlägt sich ausgezeichnet.

Wie schon erwähnt, spielt hier Jude eine sehr wichtige Rolle. Eigentlich ereignet sich das Leben seiner drei Freunde nur um ihn herum und das hat einen wichtigen Grund. Jude ist nämlich anders. Er selbst kennt seine Eltern nicht, ist in einem Kloster aufgewachsen und hat nicht nur dort viele schlimme Dinge erlebt, die ihn geprägt haben. So schlimm, dass er große seelische und körperliche Wunden davon getragen hat. Seine und die Geschichte rund um seine Freunde wird so gefühlvoll, aber dennoch in einer sprachlichen Wucht erzählt, dass man mit jeder Pore mitfühlt. Man leidet nicht nur mit ihnen, sondern man nimmt sie förmlich als Freunde wahr, man durchlebt alles mit ihnen und schließt sie ganz schnell ins Herz, allen voran den Protagonisten.

Dieser, Jude St. Francis, ist eine interessante Person, die sich gerade dadurch auszeichnet, dass sie trotz allem, was er erlebt hat, noch so liebenswert ist. Er opfert sich für seine Freunde auf, obwohl er selbst ein gebrochener Mensch ist. Dabei lässt er an sich selbst allerdings niemanden heran. Er redet nicht über das, was ihm geschehen ist und kämpft ganz allein mit seinen inneren Dämonen. So einige Male wollte ich ihn schütteln, weil er es einfach nicht schaffte, aus sich heraus zu kommen. Als ich dann erfuhr, was mit ihm alles geschehen ist, lief es mir einige Male eiskalt den Rücken herunter. Ich habe mit ihm gelitten und geweint und war ein paar Mal richtig geschockt.

Ich will allerdings auch die anderen Charaktere nicht vergessen zu erwähnen, allen voran Willam, JB und Malcom, aber auch Harold und Julia, sowie Andy und Richard. Auch diese sind alle sehr gut und ausführlich gezeichnet. Von jedem einzelnen erfährt man so viel, wie für die Geschichte wichtig ist, aber auch nicht zu viel. Willam, JB und Malcom sind so unterschiedliche Charaktere, aber dennoch halten sie zusammen und vor allem zu Jude. Dieser ist mit seinen Freunden wahrlich gesegnet, denn sie sind alle für ihn da, kämpfen für ihn und wollen helfen, auch wenn er sich nicht helfen lassen will. Besonders Willam spielt eine sehr große Rolle für ihn und Harold, der für ihn fühlt, wie ein Vater.

In diesem Roman ist "Ein wenig Leben" Programm, denn der Leser durchlebt jede einzelne Phase, jedes Gefühl und jedes Erlebnis mit den Charakteren. Dabei ist die Atmosphäre so dicht, dass sie einen förmlich einhüllt. Dieses Buch zieht den Leser in seinen Bann und geht mitten ins Herz und unter die Haut.

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